Veranstaltung: | Kreismitgliederversammlung 11.02.2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Anträge |
Antragsteller*in: | Peter Pütz (KV Göttingen) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.02.2020, 11:18 |
A2: Pendelströme reduzieren, ländliche Räume stärken, Lebensqualität erhöhen - Coworking als Chance für den Landkreis Göttingen
Antragstext
Der Wandel der Arbeitswelt erlaubt zunehmend die Telearbeit, d.h. das Arbeiten
entfernt von der Betriebsstätte der Arbeitgeberin. Auf Bundesebene wird sogar
das Recht auf Telearbeit diskutiert. Telarbeit kann mit verringertem
Ressourcenverbrauch und steigender Lebensqualität einhergehen. Wir als
Kreisverband Göttingen möchten die Möglichkeiten prüfen, Formen der Telearbeit
u.a. durch die Einrichtung von Coworking Spaces zu unterstützen.
Ein „Coworking Space“ lässt ich als ein Ort beschreiben, an dem Arbeitsplätze
und Infrastruktur (Netzwerk, Drucker, Scanner, Fax, Telefon, Beamer,
Besprechungsräume) zeitlich befristet zur Verfügung gestellt werden. Solch ein
Ort ermöglicht die Bildung einer Gemeinschaft, welche mittels gemeinsamer
Veranstaltungen, Workshops und weiterer Aktivitäten gestärkt werden kann.
Coworking Spaces erfreuen sich bereits großer Beliebtheit in Städten und
entstehen zunehmend auch auf dem Land. Dank der Digitalisierung und dem Wandel
in der Arbeitswelt kann die Arbeit heute in vielen, wenn auch bei Weitem nicht
in allen Fällen zum Menschen kommen. Nach einer Studie des Deutschen Instituts
für Wirtschaftsforschung (DIW) wäre hierzulande bei 40 Prozent aller
Arbeitsplätze mobile Arbeit im Homeoffice theoretisch möglich.[1] Laut
Statistischem Bundesamt arbeiteten 2017 hierzulande jedoch nur elf Prozent der
Beschäftigten gewöhnlich oder zumindest manchmal von zu Hause. Durch den Wandel
der Arbeitswelt entstehende Chancen können genutzt und ausgestaltet werden, zum
Beispiel in Form von Coworking Spaces. Dadurch können viele positive Effekte wie
eine Verringerung der Verkehrsströme erreicht werden. In Coworking Spaces
arbeiten Menschen unabhängig voneinander, aber dennoch räumlich zusammen und
können auf diese Weise voneinander profitieren. Dabei kommen Menschen aus
unterschiedlichen Bereichen zusammen, die normalerweise pendeln oder alleine,
zum Beispiel zuhause, arbeiten würden und die Möglichkeit zum Austausch und zur
Kommunikation nutzen können. Auch Unternehmen können profitieren, da sie z.B.
weniger Büroflächen in teureren Lagen vorhalten müssen und die Mitarbeiter*innen
vom Pendelstress entlastet werden.
Dabei erfüllen Coworking Spaces einen integrativen Zweck, weil Coworking das
Potential hat:
- die Attraktivität ländlicher Räume zu steigern, indem Ortskerne belebt und
Leerstand genutzt wird;
- die Lebensqualität der Menschen, die in einer Kleinstadt oder auf dem Dorf
wohnen, zu erhöhen;
- die Lebensqualität der Menschen, die in einem durch viele Einpendler*innen
belasteten Ballungszentrum wohnen, zu erhöhen;
-die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben zu verbessern;
-Menschen zu ermächtigen, indem sie sich Räume für Austausch, Kultur und
Vernetzung schaffen, wo diese nicht (mehr) vorhanden sind;
-Das Innovationspotential strukturschwacher Regionen und die
Gründungsbereitschaft zu fördern
Als Coworking Spaces bietet sich im ländlichen Raum verschiedene Orte an, sofern
eine schnelle Internetverbindung ermöglicht werden kann, z.B.:
- Leerstehende (Teile von) Bauernhöfen
- Alte Bahnhofsgebäude (im Idealfall an aktiven Bahnhöfen)
- Leerstehende oder vom Leerstand bedrohte Gewerbeflächen (z.B. Sparkassen)
Eine Mischnutzung der Räumlichkeiten (z.B. Coworking-Spaces zusammen mit
verkleinerter Sparkassenfiliale mit kleiner Bäckerei) kann dabei ökonomisch
sinnvoll sein.
Die ersten Schritte zur Einführung von Coworking Spaces im Landkreis Göttingen
könnten wie folgt aussehen:
- Pendler*innenströme müssen analysiert werden um geeignete Orte für Coworking
Spaces zu finden, die den Verkehr entlasten und den Menschen Lebenszeit
schenken.
- Identifizieren, wie häufig die Menschen an diesen Orten theoretisch (Eignung
der Jobs) und praktisch (Erlaubnis Arbeitgeber*in) im Coworking Space ihrer
Arbeit nachgehen könnten
- Nach Kommunikation mit relevanten Akteur*innen wie der regionalen
Wirtschaftsförderung sowie öffentlichen und evtl. privaten Arbeitgeber*innen
begleitet von ausgiebiger Öffentlichkeitsarbeit ein Pilotprojekt starten
(zeitlich befristet oder unbefristet).
Der Wandel in der Arbeitswelt erfordert Veränderungen in der Unternehmenskultur.
Die Digitalisierung erlaubt theoretisch vielen Menschen ortsunabhängig zu
arbeiten, sofern die digitale Infrastruktur vorhanden ist. Hierfür müssen sich
die Strukturen in vielen Firmen und Behörden verändern und sich das Konzept des
Coworkings weiter verbreiten. Wir als Grüne können diesen Prozess durch Dialog,
Diskussion und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Die Flexibilität mobiler
Arbeit kommt besonders Menschen zugute, deren Anwesenheit am Arbeitsplatz durch
Kinderbetreuungszeiten oder familiäre Pflegefälle eingeschränkt wird. Coworking
ermöglicht also insbesondere Frauen, die häufiger als Männer die Sorgearbeit
übernehmen, sichtbarer im Arbeitsleben zu werden.
Eine große Frage von Coworking Spaces in ländlichen Regionen ist das
wirtschaftliche Nutzungskonzept und die Finanzierung. Neben den potenziellen
gewerblichen Mitnutzer*innen des Ortes (Bank- und Postfilialen, Ärzt*innen etc.)
sind neben selbstständigen Nutzer*innen auch Arbeitgeber*innen, Stiftungen und
zumindest in der Anschubfinanzierung die öffentliche Hand als Unterstützer*innen
denkbar.